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  Ich bin eine Lady, ein Gentleman, ein Rocker, ein rustikaler oder sportlicher Typ. Das ist alles in Ordnung. Aber es ist trotzdem so, das teilweise nicht bedacht wird, wenn man mit bestimmten Menschen in Berührung kommt und zu bestimmten gesellschaftlichen Anlässen erscheint, dass geheime Spielregeln vorherrschen. Wenn man diese missachtet, wird man gleich degradiert.
Zweiklassengesellschaft würde ich nicht so sagen, sondern dass es nur noch wenige Menschen gibt, die bewusst darauf achten wie sie sich kleiden, ob die Kleidung zum Anlass passt oder zum Gegenüber passt. Man erwartet schon, dass man sich auch hier auf Augenhöhe trifft. Wenn einer im Tiefstatus ist und der andere im Hochstatus, dann fühlt sich mindestens einer nicht wohl. Dann wird es schwer eine gute Beziehung herzustellen.
Für mich leben wir in einer „Sinnsuchergesellschaft“. Wir sind wieder auf der Suche nach einem Sinn des Lebens und nach Werten. Wir sind in eine Überflussgesellschaft geboren worden, in der es alles gibt außer Zeit und Zuwendung für einander. Es fehlt das Fundament und die Stabilität. Was ich auch schlimm finde ist die Thematik mit unserer Wegwerfgesellschaft oder die Kinderarbeit für die billigen Klamotten.
SIBIEN: Zitat von Marie v. Ebner-Eschenbach „Man darf an­ders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.“
Hierzu eine Stilfrage: Als Bankkaufmann in den 1970er Jah­ren musste ich eine Krawatte tragen, egal ob sie passte. Ich mag diesen Kulturstrick nicht, weil ich ihn lästig finde und durch ihn meine Halsfreiheit eingeengt wird. Es gibt aber immer noch Berufe wo er erforderlich scheint. Hätten Sie eine passende Alternative?

JANINE KATHARINA PÖTSCH: Im Bankgeschäft wird es ein bisschen lockerer. In Berufen, wo es noch erwartet wird, würde ich, wenn ich neu in einem Job bin und meine Kunden noch nicht kenne, diese Präsenzkleidung tragen, bis ich die Beziehung gefestigt habe. Dann kann man später statt der Krawatte ein schickes Einstecktuch oder im Winter einen Krawattenschal tragen. Man sollte anzeigen, dass man den Dress Code kennt, aber ich auch weiß, dass ich ihn brechen kann, weil es mehr meine Persönlichkeit unterstreicht. Sicher ist es, sich zunächst formell zu kleiden und dann schauen, wie sich das Gegenüber verhält. Vielleicht fühlt der sich auch nicht so wohl. Ich persönlich finde Einstecktücher interessanter als die Krawatte. Vor kurzem fiel mir einen Geschäftsführer auf, der seine Krawatte schief und falsch gebunden trug. Das sagt mir, dass er die Krawatte nur trägt, weil er muss, aber nicht dazu steht. Dann finde ich es besser, dass man die Krawatte weg lässt und sich anders hervorhebt.
Als Vordenkerin für moderne Aristokraten finde ich es sehr schade, dass die stilsichere Lady und der moderne Gentleman aussterbende Spezies sind.

 

SIBIEN: Es wird das mögliche einfach gemacht, ohne Rücksicht auf die Ethik und Sinnhinterfragung. Dabei bleibt der Stil, die Moral und letzten Endes der Mensch auf der Strecke.
JANINE KATHARINA PÖTSCH: Genau, und ich finde es sehr schade. Menschen mit Stilsicherheit bewunderte man früher. Es gibt sicher einige Menschen, die das wieder gerne leben möchten. Dehnen mangelt es jedoch an Vorbilder. Es fängt bereits damit an, wenn der Mann einer Dame den Stuhl heranrücken oder in den Mantel helfen möchte, bekommt man von der Dame oft zu hören, dass sie das alleine kann. Um der Unsicherheit des Mannes behilflich zu sein, empfehle ich, die Dame zu fragen, ob er ihr helfen darf.
SIBIEN: Ich kenne noch Zeiten da zahlte der Mann die Zeche der Frau automatisch mit. Heute fühlen sich viele Frauen damit übergangen, weil sie emanzipiert sind. Wie sehen Sie das heute?
JANINE KATHARINA PÖTSCH: Der Mann übernimmt beim ersten Date meist die Zeche. Beim zweiten Date schlägt er bereits vor, dass sie auch die Rechnung übernimmt. Es ist immer noch so, dass der Mann mehr verdient als die Frau. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Deshalb finde ich es gerecht, wenn Mann und Frau ausgehen, er die Rechnung bezahlt.
SIBIEN: Ich gehe in meinem Beispiel nicht davon aus, dass sich beide kennen oder verheiratet sind. Dann hätten sie längst ihre internen Absprachen getroffen. Zwei Fremde treffen sich in einem Lokal. Wir beide kannten uns beispielsweise noch nicht und treffen uns in einem Lokal. Was sagt jetzt der Knigge dazu?
JANINE KATHARINA PÖTSCH: Es kommt ganz darauf an, in welcher Beziehung die beiden Menschen zueinander stehen. Wenn es beispielsweise ein erstes Date ist, sollte der Herr be­zah­len, um zu zeigen, dass er auch bereit ist, Wertschätzung der Dame gegenüber zu zeigen, dass sie sich die Zeit genommen hat und um seine Rolle als Gentleman darzustellen. Wenn es jedoch eine geschäftliche Beziehung ist, kommt es darauf an, wer wen einlädt. Wer die Einladung ausgesprochen hat, ist der Gastgeber. Wenn z.B. eine Geschäftsfrau einlädt, kann auch die Dame bezahlen. Auf privater Ebene ist es immer der Gastgeber, der bezahlt.
SIBIEN: Es gibt aber Situationen, in denen man zwar einen Treff­punkt ausmacht, aber es ist keine ausgesprochene Ein­la­dung.
JANINE KATHARINA PÖTSCH: Ich beurteile einen Mann danach ob er ein Kavalier oder geizig ist. Wenn ich mit Frauen essen gehe, machen wir aus, dass jeder einmal zahlt. Wenn Frauen mit einem Mann essen gehen, denken sie oft, wenn er zahlt, dass sie in der Schuld ist und sie sich wieder revanchieren muss. Was will er vielleicht von mir? Ich will vielleicht gar nicht. Früher war das einfacher. Als Lady war die Einladung  

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